BUNDjugend  

Feststimmung bei Großdemonstration: Hambi bleibt!

von Andrea Klein

Hätte man vor einigen Monaten, ja gar Wochen, Passanten in Hannovers Innenstadt befragt, ob sie den Hambacher Wald kennen, wäre das Ergebnis wohl eher enttäuschend ausgefallen. (Lernt man denn gar nichts mehr im Geografieunterricht?). Heute hätte man dabei wohl mehr Glück: Der „Hambi“ ist aus den Medien kaum noch wegzudenken. Das uralte Ökosystem zwischen Köln und Aachen ist längst zum Mittelpunkt einer politischen Auseinandersetzung geworden und übt gewaltig Druck auf die Diskussion um den Kohleausstieg aus.

Ein Rückblick: RWE beschließt trotz allgemeiner Bedenken zum 01.10. den Rest des ursprünglich 550 Hektar großen Waldes zu roden; dies sei „zwingend erforderlich“. Auch ein erneuter Eilantrag des BUND schien erfolglos zu bleiben. Massive Polizeieinsätze im Hambacher Wald: Aktivisten werden aus Baumhäusern gedrängt, ihr Zuhause zerstört. Begründung: Fehlender Brandschutz in den Baumhäusern. Widerstand wird angekündigt. Eine Großdemo soll entstehen! RWE gibt auf Druck des Gerichts bekannt, nicht vor dem 14.10. zu roden und so wird die zunächst für diesen Tag angesetzte Demo eine Woche nach vorn verlegt. Wir wollen schließlich nochmal Druck machen, bevor es zu spät ist!

Recht spontan, zwei Wochen vor dem Demotermin am 06.10. steht: Die BUNDjugend Niedersachsen organisiert einen Bus aus Hannover und irgendwie spürten wir, dass sich da etwas Großes anbahnt. Voller Vorfreude verkaufen wir immer weiter Tickets, an BUNDjugend-Aktive, bekannte Gesichter und Außenstehende und hofften, dass der Bus vollbesetzt sein wird.

Am Donnerstagabend dann der Schock: Die Aachener Polizei genehmigt die geplante Großdemonstration nicht. Laut der Polizei bestünden „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der Versammlung“. Leichte Verunsicherung in der Telegramm-Gruppe: Was machen wir denn jetzt? Fahren wir trotzdem hin? „Aber sicher!“, „Das hält uns doch nicht davon ab“, „Das macht das Ganze nur interessanter“. Wir sind umso entschlossener, eben jetzt zu zeigen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Der Bus war sowieso bereits organisiert, ja beinahe komplett ausgebucht.

Wer hätte damit gerechnet? Direkt am Freitagmorgen wird freudig geteilt, dass das Oberverwaltungsgericht Münster einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Wald verfügt hat. Die Richter entsprachen im Eilverfahren einem Antrag des BUND, der das Vorkommen streng geschützter Arten, wie der Bechsteinfledermaus, im Hambacher Wald als bedroht ansehe. RWE muss also solange mit dem Roden warten, bis über die Klage des BUND entschieden ist – und das kann dauern! Die Vorfreude auf die morgige Demo war groß: Zusammen feiern wir RWEs Niederlage.

Am Samstag war es dann endlich soweit: Vom Sonnenaufgang begleitet trafen wir uns am Hannover ZOB. Eine schillernde Leuchttafel kündigte die Fahrt nach Kerpen Buir der BUNDJugend an, Abfahrt 07:30 Uhr! Im Bus wurde viel gequatscht und fleißig Songs und Shouts für die Demo geübt. Kirsch-Brownies und Limonade versüßten die Pause an der Raststätte und wir stärkten uns für die kommenden Stunden, die härter werden sollten als gedacht.

Wie bei einer Großdemonstration in diesen Ausmaß zu erwarten, landeten wir im Stau. Die geplante Ankunftszeit überschritten wir großzügig: Statt um elf Uhr erreichten wir das Ende einer gewaltigen Busschlange erst gegen 13:30 Uhr. (Revolverheld hatten wir also verpasst, Mist!) Insgesamt wurden bundesweit ca. 200 Busse organisiert, stolze vier aus Hannover, und in dieser Reihung fanden wir unseren Platz (leider) ganz hinten. Trotzdem total gelassen stiegen wir aus dem Bus, statteten uns mit BUNDjugend-Flaggen und Plakaten aus und versammelten uns zu einem Gruppenfoto. „Jetzt ganz schnell zum Kundgebungsort!“, dachten wir, hofften wir.

Danke an Ileana Samaila für die Karte!

Niemand ahnte, dass uns von der Bühne noch ganze fünf Kilometer Fußmarsch trennten. Erst stapften wir durch das Geisterdorf Manheim bei Kerpen – welch ein Anblick. Nachdem RWE das gesamte Dorf aufgekauft hat, um es für den Braunkohle-Abbau wegzubaggern, blieben von den ehemals 1.700 Einwohnern kaum jemand übrig. Weiter über Feldwege, den anlaufenden Massen folgend und so langsam merkten wir, dass es bis zum Kundgebungsort noch recht weit sein muss. Nach einer Stunde erreichten wir einen BUND-Stand, hörten Zusprüche und Danksagungen aus Megaphonen, („dass wir alle so zahlreich erschienen sind“) und wussten, wir sind endlich da! Naja, eigentlich hatten wir die Bühne immer noch nicht recht erreicht, aber wir waren froh, am Spektakel teilnehmen zu können.

Die Stimmung war wunderbar und die Demo ein voller Erfolg: Noch nie haben sich so viele Menschen versammelt, um für den Kohleausstieg zu demonstrieren. Ein Wechsel aus entschlossenen Kundgebungen und munterer Live-Musik erweckte das täuschende Gefühl, auf einem Festival gelandet zu sein. Ein Meer aus Fahnen und Bannern erstreckte sich über den Köpfen von Umweltaktivisten, die laut klatschend und jubelnd den Kundgebungen lauschten. Wir waren laut, friedlich und uns alle einig: Hambi bleibt! Doch es geht um mehr als das; Familien, Jung und Alt demonstrierten für einen schnellstmöglichen Kohleausstieg, für den Erhalt von Lebensraum und für eine wünschenswerte Zukunft.

Zeit, in den Wald zu laufen, blieb uns keine. Insgesamt konnten wir ca. drei wundervolle Stunden auf der Großdemonstration verbringen – weniger als gewünscht. Ich denke aber, wir alle sind wahnsinnig froh, dass wir an der Hambi-Demo teilnehmen konnten. Es war schön, sich mit anderen auszutauschen und sich gemeinsam für einen schnellen Kohleausstieg stark gemacht zu haben.

Selbst am späten Nachmittag und auch auf dem Rückweg zum Bus kamen uns noch Menschen entgegen, die auf den Weg zum Demo-Gelände waren. Die gesamte Großdemo blieb mir als nie endender Strom aus Menschen in Erinnerung – ein ständiges Kommen und Gehen. Man könnte schwören, es wären mehr als 50.000 gewesen.

Die Fotos sind von Ileana, Andrea und Romina